Ungeplant ist die Bauherrschaft zu ihrem Kinde, sprich, zu ihrem Häuschen gekommen. Als Elternhaus eines Mandanten des Bauherrn sollte es auf den Markt gestellt werden. Hoffend, dass sich jemand für das kleine Appenzellerhaus mit Blick über Hügel und Wälder erwärmen möge. Am Äusseren sollte es nicht liegen. Dies ist mit dem originalen, dunkelbraun gestrichenen Rundschindelschirm und den putzigen alten Fenstern niedlich und Interesse erweckend. Im Inneren sah es jedoch aus wie in vielen Objekten der Schweizer Altbau-Landschaft. Alle originalen Bauteile – Böden, Wände und Decken – waren mit Industrietäfer, Spanplatten, Spannteppichen und PVC-Belägen über die letzten fünf Jahrzehnte mit einem unästhetischen Mischmasch zugedeckt, im Sinne der Vorgänger «modernisiert» worden. Die heutigen Besitzer ahnten jedoch schnell, dass sich darunter Gehaltvolles verbergen könnte. Und entschieden sich, das Wagnis eines Kaufs einzugehen.
Am Stand einer Baumesse hat die neue Besitzerschaft ein gutes Jahr zuvor einen Architekten der Altbauweise St.Gallen-Appenzell kennengelernt. Dieser Mann könnte der Richtige sein, um Ihnen bei einem Rundgang durchs Haus das Vorgehen bei einer Innenrenovation zu erläutern, dachten sie sich und nahmen Kontakt auf. Der darauf folgende Rundgang hatte es in sich. Nicht Neues sollte die Verwandlung der Liegenschaft bewirken, sondern die Freilegung des Alten, Ursprünglichen. Kleine Sondierungen zeigten schnell, dass die Originalsubstanz unter den vielen Verkleidungen noch weitgehendst intakt sein musste.
Nun begann die Phase des Rückbaus und der Freilegung. Wie vom Architekten in Aussicht gestellt, fand sich unter diversen Schichten alter Strick (Massivholzwände), Dillböden (selbsttragende Massivholzböden ohne Balkenlage) und Kassettendecken. Eine weitere angenehme Überraschung war die Entdeckung einer Inschrifttafel aus Sandstein mit dem Baujahr 1888 und dem Namen des Erbauers im Eingangsbereich.
Fenster hatte es am Haus aus drei Generationen: originale Sprossenfenster aus der Bauzeit, Doppelverglasungsfenster aus den 1930er Jahren beim Anbau und west- als auch ostseitig neuzeitliche IV-Fenster. Schnell war klar, dass die alten Sprossenfenster erhalten bleiben und renoviert werden sollen.
Der nächste Schritt war ein Renovations- und Materialkonzept, welches in jedem Raum den Umgang mit Böden, Wänden und Decken definierte. Ausserdem wurde eine möglichst diskrete Installationsführung der Elektro- und Sanitärleitungen festgelegt. Schliesslich wurde bei jedem Bauteil die energetische Optimierung besprochen, immer im Bestreben, das ursprüngliche Gefüge erhalten zu können. Täfelungen wurden teils demontiert, um Elektroleitungen zu führen und Fugen zu dichten. Der Dachboden wurde mit einem zweiten Boden versehen, um den dadurch entstandenen Hohlraum mit Zellulosefasern zu dämmen. Bei dieser Gelegenheit wurde der sehr filigran dimensionierte Dachstuhl verstärkt. Eine heruntergehängte Gipsfaser-Plattendecke im Keller ermöglichte Rohrführungen und mittels Ausblasen mit Zellulosefasern die nötige thermische Dämmung zum kühlen Keller sicherzustellen. Der Dämmwert der Aussenwände des Strickbaus wurde innenseitig mit Holzfaserplatten verbessert. Mit dieser Materialwahl blieb man bestmöglichst im bestehenden System, tat Optimales für den winterlichen Kälteschutz, aber auch für den sommerlichen Wärmeschutz.
Die Sanitärapparate und die Küche mussten neu ausgewählt werden und durften Akzente setzen. Insbesondere im Bad war die Bestrebung, durch die Freilegung des schönen Holzstricks und der Einfügung einer speziellen Zweitüren-Glasdusche ein kleines Wohlfühlbad einzurichten. Die Bauherrin erarbeitete schliesslich – gemeinsam mit dem Maler – für die Innenräume ein Farbkonzept, welches sich an den klassischen Appenzeller Pastelltönen orientiert und nur in Bad und Küche bunter wird.
Nun wurde die Wahl der Handwerks-Unternehmen angegangen. Es sollten Firmen sein, die mit der alten Bausubstanz sorgfältig und kompetent umgehen – im Appenzellerland zum guten Glück noch die Regel. Gemeinsam mit einer Auswahl von Firmen der Altbauweise St.Gallen-Appenzell wurde das Projekt schliesslich gestartet. Die Bauherrin, selber bauerfahren, übernahm die Bauführung und die Feingestaltung. Der Architekt stand beratend zur Verfügung. In toller Teamarbeit wurde die Rückverwandlung des Häuschens mit viel Elan umgesetzt. Und damit dem Haus seine Seele zurückgegeben.
Altbauweise St.Gallen-Appenzell | |
---|---|
Sensible Architektur Philipp Hostettler | Architekt |
Bruno Köppel AG | Zimmerei |
Gerevini Ingenieurbüro AG | Ingenieur |
Ehrbar Parkett AG | Bodenbeläge |
Vogel Fensterbauer AG | Fenster |
Kessler Gips AG | Gipsarbeiten |
Welz AG | Schreinerarbeiten |
Bauherrin Andrea C. Rostetter | Bauleitung |
Freuler Farbgestaltung | Malerarbeiten |
Hellraum GmbH | Lichtgestaltung |
Bauherrschaft
Andrea C. Rostetter und Alexi Pfammatter, Mörschwil
© Altbauweise St.Gallen-Appenzell, Juni 2014
Text: Philipp Hostettler / Fotos: Stephan Bösch
Abdruck jederzeit, auch auszugsweise, jedoch nur unter der Quellenangabe möglich.
Altbauweise St.Gallen-Appenzell ist eine von insgesamt 9 Regionalgruppen der Altbauweise Schweiz. Sollten Sie sich nicht in Ihrer Region befinden, können Sie auf der Karte die entsprechenden Regionalgruppe finden.